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Tuttlingen und die Grenze des Vertretbaren

© AdobeStock/Halfpoint

Eine Klinik und das Landratsamt in Tuttlingen fordern Pflege- und Behindertenzentren auf, „in dieser schwierigen Zeit Krankenhauseinweisungen besonders sorgfältig zu bedenken“. Sollen Betroffene von einer Behandlung ferngehalten werden, um eine Klinik-Überlastung zu vermeiden?

Es ist ein „dringender Appell“, mit dem sich der Geschäftsführer des Klinikums Landkreis Tuttlingen (Baden-Württemberg) und der Sozialdezernent des Landratsamts an die stationären Einrichtungen und ambulanten Dienste der Region richteten. In dem Brief aus der vorvergangenen Woche, der WELT vorliegt, heißt es:

„Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Behandlungsmöglichkeiten im akutstationären Bereich tatsächlich den Menschen – auch denen unter Ihren Bewohnerinnen und Bewohnern – zur Verfügung gestellt werden, die davon profitieren können.“

Die Behandlungsmöglichkeiten des Corona-bedingten Lungenversagens bei betagten Menschen mit schweren Begleiterkrankungen seien ausgesprochen limitiert. Und tatsächlich kommt eine Studie von Intensivmedizinern (/politik/deutschland/plus233305669/Deutsche-Corona-Bilanz-Was-hinter-der-hohen-Sterblichkeit-bei-der-kuenstlichen-Beatmung-steckt.html) vom Juli dieses Jahres zum Ergebnis, dass 73 Prozent der Corona-Patienten in Deutschland, die in den ersten beiden Corona-Wellen mit einer künstlichen Lunge beatmet wurden, den Einsatz nicht überlebt haben. Auch das Regenerationspotenzial der Lunge gilt als gering.

Im Brief aus Tuttlingen heißt es weiter: „Sie kennen Ihre Bewohner, Sie können den mutmaßlichen oder tatsächlichen Willen feststellen und Sie können durch Ihr Handeln sehr viel zur Verhinderung einer Überlastung der zur Verfügung stehenden Behandlungsressourcen beitragen“. Die Bewohner sollten sensibilisiert werden, „in dieser schwierigen Zeit Krankenhauseinweisungen besonders sorgfältig zu bedenken. Dies gilt auch für die Inanspruchnahme des Notarztwesens.“

Weiter werden die Bewohner und deren Angehörige aufgefordert, „nach Möglichkeit“ die beiliegende Anlage „Feststellung aus Anlass der Covid-19-Pandemie“ zu benutzen und bereits vor Eintritt des Notfalls zu durchdenken. Diese könne „explizit ohne vorherige Patientenverfügung abgegeben werden, um den Willen der behandlungsbedürftigen Person zu verschriftlichen und dadurch in letzter Konsequenz Triagen (https://welt.de/235558638) zu vermeiden“.

(Corona und Krankenhäuser: Tuttlingen und die Grenze des Vertretbaren – WELT 14.12.21, von Frederik Schindler, Politikredakteur)

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